Film & Fernsehen

Die Crux mit der Innovation bei ARTE: Filmemacher kommen nicht mehr mit

(ver.di FilmUnion-Newsletter 06/2013) Auf ARTE ausgestrahlt zu werden gilt für Filmemacher immer noch als die Adelung schlechthin. ARTE ist europaweit zu empfangen und bedeutet ein Synonym für inhaltliche und technische Innovation. Doch das Mithaltenmüssen mit ARTE und seinen hohen Standards stellt enorme Herausforderungen an Filmemacher und Produzenten. Besonders die sogenannten „Rucksackproduzenten“ leiden. In Hamburg stellte ARTE kürzlich sein Programm für 2014 vor.
Seit der Erstsendung des europäischen Kulturkanals ARTE am 30. Mai 1992 gibt es mindestens genauso viele Gegner wie Befürworter des mitunter radikal innovativen Senders. Dasjenige TV-Publikum, das sich gerne anspruchsvoll nennt, kennt im Fernsehen nur ARTE, vielleicht noch 3Sat, zu seicht ist das restliche Programm. Doch die Liebe des anspruchsvollen Publikums kann die Crux der Filmemacher sein. Die Innovationen, in Bezug auf Technik und Inhalte, der frische Look, der andere Blick haben ihren Preis. Und den müssen die bezahlen, die für die Innovation verantwortlich sind, die Filmemacher nämlich. Doch die, die für den innovativen Content sorgen sollen, kommen finanziell oft hinter ARTEs technischen Anforderungen nicht hinterher. Oft sind das ausgerechnet diejenigen, die gerade mal so von ihrem Beruf leben können.

Und das kam so: Mitten in Europa beheimatet, mit Redaktionen in zwei Ländern musste (und wollte) das Kohl-Mitterand-Projekt ARTE von Beginn an anders sein, um überhaupt wahr genommen zu werden. ARTEs Slogan war daher auch sein Programm: Anders fernsehen. Der italienisch klingende Name steht für die französische Abkürzung „Bund europäischen Fernsehens“. 1996 ging ARTE mit einer eigenen Webseite online, als der Rest der Welt gerade herausfand, wie man Internet buchstabierte. Als 2007 die damals urheberrechtlich umstrittenen Mediatheken aufkamen, war ARTE einer der ersten Sender, der das 7-tägige Internetstreamen seiner Sendungen den Zuschauern wie selbstverständlich anbot. Ein Aufschrei ging durch die Reihen der Filmemacher, die sich durch die zusätzliche Verwertung zum selben Preis ausgenutzt fühlten. 2008 war High definition television plötzlich in aller Munde und ARTE war der erste Sender, der von seinen Produzenten HD-Standards verlangte. Das bedeutete, dass viele von ihnen vor eine folgenschweren Entscheidung standen: in teures HD-Equipment zu investieren und dafür das alte, das noch nicht schlecht war, billig zu verkaufen und zu hoffen, dass andere Sender auch auf HD umstellen - oder eben nicht mehr für ARTE zu produzieren. Seit 2011 ist HD bei ARTE Pflicht, übrigens wie bei anderen Sendern auch. ARTE-Produktionen setzten ein kompliziertes Finanzierungskonzept aus Regionalsender-Beteiligung und ARTE voraus, die RedakteurInnen sind nicht einfach zufriedenzustellen, aber die Bezahlung für eine Sendeminute ist eher niedrig, sie entspricht dem, was bei den dritten Programmen und nicht dem, was bei ARD und ZDF gezahlt wird. Die niedrige Honorierung wird oft mit dem geringen Zuschauerinteresse begründet. ARTE hat in Deutschland eine Einschaltquote von unter 1 % (1,9 % in Frankreich). Im Internet allerdings wachsen die Nutzerzahlen exorbitant. Hier wurde ein Anstieg von 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. Auf Portalen wie Facebook und Twitter gibt es bereits über 1,7 Mio. Follower. Die bimediale Strategie des Senders, seine Präsenz bei diversen Internetplattformen sowie die eigenen initiierten Webportale sind die Gründe für eine größere Relevanz des Senders im Netz.

Mitte November stellte ARTE in Hamburg sein Programm für 2014 vor. Auch das kommende Jahr wird wieder im Zeichen mehrerer Oberthemen stehen, wie z.B. der Europa-Wahl und der 100. Jahrestag des Beginns des ersten Weltkrieges. Der Sender begleitet den Krieg das gesamte Jahr über. Wichtigstes TV-Highlight wird voraussichtlich das acht-teilige Doku-Drama 14 Tagebücher des ersten Weltkriegs. Bei der Europa-Wahl ist es dem Sender wichtig, eine optimistische Haltung auf den EU-Raum einzunehmen. Weitere Programm-Höhepunkte, neben einer Vielzahl von Film-Produktionen und Erstausstrahlungen, sind das Mega-Projekt 24 Stunden Jerusalem (D/Israel 2014) der Berliner Firma Zero One Film, von der auch 24 Stunden Berlin stammt (D 2009).

Neben den klassischen Programm-Inhalten sollen alle wichtigen Produktionen noch stärker und aktiver ins Web verlängert werden. Dabei weigert sich Programmdirektor Alain Le Diberder von „neuen Medien“ zu sprechen. „Das Internet ist 30 Jahre alt. Das ist schon längst eine alte Technologie“, sagte Le Diberder. Seine Strategie ist es deshalb auch nicht mehr zwischen Fernsehen und Online zu unterscheiden, sondern einfach das beste Programm für alle drei Bildschirme (TV, PC, Smartphone/Tablet) anzubieten.
ARTE will sein Online-Angebot auch 2014 noch weiter aus- und umbauen. So wird aus ARTE live Web, das bislang rund 500 Events ins Internet übertrug, ARTE Konzert. Alle Info-Angebote wollen die Straßburger künftig unter ARTE Info bündeln.

Ausklappen/Einklappen